Ein Interview mit Sylvia Bliefert von TRÄUMRINGE
Liebe Sylivia, nachhaltige Eheringe, das klingt doch irgendwie seltsam. Hast Du viele Paare, die danach fragen oder kannst Du gar einen Trend erkennen?
Tendenziell fragen leider wenige Kunden danach, obwohl jeder dafür ist, ‘politisch korrekte’ Produkte zu erwerben. Deshalb sehe ich meine Möglichkeiten eher darin, Kunden für die Thematik zu sensibilisieren, damit sie sich für die Herkunft und die Bedingungen bei der Gewinnung der Edelmetalle interessieren und informieren.
Die öffentliche Diskussion und Thematisierung, wie z.B. in eurem Blog ist wichtig, um Aufmerksamkeit auf diese Themen zu lenken und die Nachfrage nach Alternativen anzuregen. Langfristig erhöht das den Druck auf die Produzenten von Rohstoffen, die Herkunft und Verfahren transparenter darzulegen und sozial verträgliche Arbeitsbedingungen in den Erzeugerländern sicherzustellen!
Man kann jedoch feststellen, dass immer mehr Goldschmiede mit fair gehandeltem Gold arbeiten und ich glaube, das hängt zu einem bedeutenden Teil auch mit dem eigenen Anspruch an die Herkunft der Rohstoffe zusammen, nicht nur mit einer gesteigerten Nachfrage. Je offensichtlicher es wird, dass das Gold aus bekannten Quellen bezogen werden kann, desto mehr kann man aber das Bewusstsein der Kunden hierfür noch schärfen, … hoffe ich.
Klär uns mal auf, was steckt dahinter, wenn Du für ein Paar Eheringe erstellst, die zum Thema ‘Nachhaltig heiraten’ passen?
Nachhaltigkeit bezieht sich auch bei der Fertigung Eurer Eheringe auf die Produktionsweise im Hinblick auf Umweltverträglichkeit also: Vermeidung von verschwenderischem Umgang mit Ressourcen und Belastung der Umwelt beim Abbau und der Verarbeitung der Edelmetalle und Edelsteine.
Die nachhaltigste Methode bei der Gewinnung der Edelmetalle für eure Eheringe ist ganz klar Recycling, denn hier werden überhaupt keine neuen Goldressourcen verbraucht. (Dazu braucht ihr auch kein eigenes Altgold.)
Hier vertraue ich auf deutsche Unternehmen, die kontrolliert und unter Einhaltung unserer strengen Umweltauflagen Altmetall recyceln.
Ich freue mich, dass mein Goldlieferant ausschließlich Edelmetalle recycelt und eine Zertifizierung des RJC (Responsible Jewellery Council) erworben hat. (Ein Verband mit mehr als 450 Mitgliedern der Schmuck und Edelsteinindustrie, die sich verpflichten, ethisch und sozial zu handeln und umweltfreundliche Verfahrenstechniken zu fördern.)
Es gibt übrigens auch in Deutschland Gold, das aus Flusslagerstätten stammt. Nennenswert sind hier die Vorkommen in der Eder in Hessen. Dort wird im Zuge eines Forschungsprojektes der TU Aachen ohne Einsatz von Chemikalien Rohgold gewonnen und verdient wirklich den Namen Grünes Gold! (Fair Trade in Gems and Jewellery)
In meiner eigenen Werkstatt verzichte ich auf den Einsatz der meisten in unserer Branche üblichen Chemikalien und vollständig auf die Anwendung von hochgiftigen galvanischen Arbeitstechniken (z. B. rhodinieren, vergolden usw.).
Kannst Du uns über das Fair gehandelte Gold ein bisschen mehr erzählen?
Was steckt dahinter und wo kommt es her?
Fair Trade – fairer Handel – dahinter steckt das Bestreben, den Produzenten von Rohstoffen und maßgeblich Nahrungsmitteln aus den fast immer armen Erzeugerländern einen fairen Marktpreis zu garantieren und dadurch die Entwicklung strukturschwacher Regionen zu fördern. Das betrifft den sozial ethischen Aspekt der angestrebten Nachhaltigkeit. Bei fair gehandeltem Gold, dass wir hier beziehen können, handelt es sich um Gold aus s.g. Sekundärlagerstätten (Flussbetten, Geröll). Es wird aus den Sedimenten von Flussbetten durch konventionelle Goldwäsche gewonnen. Das ist eine mühsame Arbeit und die Ausbeute ist sehr gering. Aus diesem Grund interessiert sich die Industrie nicht für diese Lagerstätten und überlässt das Terrain ambitionierten Einzelkämpfern, also in der Regel der armen Bevölkerung.
Die nächste Instanz ambitionierter Personen sind die Einkäufer des gewonnenen Rohgoldes, die es in unseren Handel bringen. Hier besteht eine weitere Chance die angestrebte ökologische Nachhaltigkeit bei der Produktion einzubringen, denn das noch nicht ganz reine Rohgold wird erst bei uns unter Einhaltung ökologischer Richtlinien zu Feingold (999/-) geschieden. Dieses Gold ist das Basismaterial für die Eheringe aus einer Goldlegierung mit Fair-Trade-Gold, dass zusätzlich auch dem Nachhaltigkeitsanpruch genügt!
Wichtige Minen des Fair-Trade-Goldes sind z.B. in Argentinien und Kolumbien – die Personen, die maßgeblich an der Organisation dieser Herstellungs– und Vertriebskette mitwirken, sind in Umweltorganisationen und -stiftungen engagiert (z.B. oeko andina e.V., Mainz und Fair Trade in Gems and Jewelry, Münster).
Ich beziehe das Fair-Trade-Gold von den beiden hier genannten Organisationen, denn die Personen, die hier maßgeblich engagiert sind, kann ich persönlich kontaktieren. Das ist wichtig und schafft auch mein eigenes Vertrauen, das ich dann guten Gewissens auf meine Kunden übertragen kann. Platin und Palladium wird übrigens ausschließlich industriell im Bergbau gewonnen und nicht fair gehandelt.
In vielen anderen Bereichen sind klimaneutrale Produkte leider auch preisintensiver. Trifft das auf Schmuck auch zu?
Es ist nicht überraschend, dass die Preise von Produkten, die wir: klimaneutral – nachhaltig – grün – fair trade – u.ä. bezeichnen, über den Preisen der nicht so definierten Produkte liegen. Meiner Meinung nach müssen wir uns die Frage andersherum stellen, nämlich: Warum sind die Massenprodukte, und zwar in allen Bereichen (Konsumgüter, besonders auch Nahrungsmittel) eigentlich so deutlich billiger?
Die Antworten liegen auf der Hand:
Große Abnahmemengen ermöglichen günstigere Preise in allen Produktionsabläufen, ziehen jedoch fast überall Umweltzerstörungen, Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und menschlicher Arbeitskraft nach sich. Das dazu genommen ist doch der wahre Preis eines scheinbar günstigen Produktes, langfristig der Preis den wir alle mitbezahlen!
Das kann man auf unserem gesamten Planeten sehen! (Fracking, Anbau von Monokulturen, Bergbau, Textilindustrie, Kinderarbeit u.n.v.m.!)
Fair-Trade-Waren aus armen Erzeugerländern auf dem europäischen Markt sind zwar in aller Munde, aber doch weitgehend Nischenprodukte.
In der Schmuckindustrie spielt die Verarbeitung von Fair-Trade-Gold bisher keine nennenswerte Rolle (s.o. Ausbeute bei der Goldwäsche), das beschränkt sich wirklich auf kleine Handwerksbetriebe, die vergleichsweise kleine Materialmengen verarbeiten. Auch lässt sich der Preis des Goldes aus Fair-Trade-Quellen nicht unmittelbar an die Börsenkursschwankungen anpassen, denn die Lieferanten haben, wie oben beschrieben, einen garantierten Preis erhalten. Die eingekauften Kontingente werden gemessen an diesem Preis abverkauft, bis die nächste Lieferung verfügbar ist.
Der Mehrpreis auf den ebenfalls gestiegenen Goldpreis ist in den letzten Jahren angestiegen. Derzeit kann der Aufpreis auf das verwendete Gold für eure Anfertigung 15%-20% betragen. Das ist auch der Grund, warum ich meinen Kunden die Verwendung von Fair-Trade-Gold auf Wunsch anbiete.
Stichwort Re- bzw. Upcycling: macht es aus ökologischer Sicht Sinn bestehenden Schmuck, z.B. von der Oma, wiederzuverwenden oder aufzuarbeiten?
Nochmals Recycling und zwar von eigenem Altgold: hat aus ökologischer Sicht ganz klar Sinn! Rein Praktisch funktioniert das aber anders, als sich das die Besitzer von geerbten Stücken oft vorstellen. In den meisten Fällen kann das Altgold nicht direkt für die Anfertigung eines neuen Schmuckstückes verwendet werden, da man aus verarbeitungstechnischen und qualitätsrelevanten Gründen nicht unterschiedliche Materialien miteinander vermischen kann.
Daher wird der s.g. Feingoldgehalt des Altmaterials ermittelt und mit dem Goldverbrauch für die neuen Eheringe verrechnet. Hier benötigen wir auch eine gewisse Menge an Altmaterial, denn auch das Recyclen verursacht Kosten, die dann im Verhältnis zum Ertrag stehen sollen. Ein alter Ring von der Oma reicht für eine neues Paar oft nicht aus.
Ich persönlich finde die Idee, einen alten Ring als Gestaltungselement zu verwenden und in das Design der neuen Ringe einzubringen sehr schön. Das hat eine starke Symbolkraft und die Eheringe sind ja die Symbolschmuckstücke schlechthin!
Ein altes Schmuckstück aufzuarbeiten und weiter zu benutzen ist quasi der materialisierte Nachhaltigkeitsgedanke!
By the way, da kommt mir noch ein Gedanke: Schmuck und insbesondere unsere Eheringe werden ja genau genommen tatsächlich für die Ewigkeit = Nachhaltigkeit erzeugt, oder? Sie sind kein Wegwerfprodukt, sondern wir träumen davon, sie für immer zu tragen…
mit herzlichen Grüßen
Sylvia Bliefert von TRÄUMRINGE
Das Thema ist so komplex, dass man nicht alle Facetten ansprechen kann. Wer sich weiter informieren möchte, kann hier vorbeischauen:
Fair Trade in Gems and Jewellery
Im Erfahrungsbericht von Laura und Florian könnt Ihr alles aus der Sicht eines Brautpaares nachlesen, das passende Brautkleid gibts bei Sina Fischer, einen Styleguide für Eure Gäste gibt es und wir haben eine tolle Infografik und Tips von Weddinplannerinnen für Euch. Geduldet Euch etwas, die Artikel erscheinen alle nach und nach.
Sandra meint
Schönes und interessantes Interview!
Wir lassen die alten Ringe von den Eltern meines Zukünftigen etwas angleichen und tragen dann diese. Sie haben dann zudem eine besondere Bedeutung.
Lg Sandra
Marie meint
Wer in Hamburg wohnt, sollte beim Goldschmied Thomas Becker im Grindelhof vorbei schauen:
Hier wird seit über 15 Jahren nur fair produziertes Gold sowie Recycling-Gold verarbeitet. Der besondere Service des Hauses ist, dass nach der Beratung Silber-Ringe angefertigt werden, die so lange probegetragen und umgearbeitet werden, bis der Ring perfekt passt und gefällt. Erst dann werden die Goldringe gefertigt. Auch das ein Versuch, möglichst nachhaltig und langlebig zu produzieren, weil der Ring ganz bestimmt gut sitzt und sich bereits im Alltag bewährt hat.
Wir sind dort aktuell mit unseren Ringen “im Entstehungsprozess” und können nur Gutes berichten. Für die Hochzeit wird der Frau auch Unikat-Schmuck geliehen, kostenlos im Preis inbegriffen!
Viele Grüße, Marie
Caro meint
Mir gefallen diese nachhaltigen Eheringe Gold auch sehr gut! Wir haben uns noch nicht für Ringe entschieden, wissen aber, dass es Eheringe Gold werden soll. Also ein super Tipp, den wir uns definitiv merken werden!
Karl meint
Schön zu sehen, wie das Thema “Nachhaltigkeit” endlich in der Schmuckbranche ankommt.
Ich bin selbst Goldschmied und weiß, wie schwierig es ist, diesbezüglich den Kundenwünschen nachzukommen, da dieses Segment für die Produzenten lange Zeit nicht interessant war. Mit wachsender Nachfrage von Kundenseite ändert sich zum Glück auch diesbezüglich vieles. Seit kurzem biete nun auch ich Trauringe aus handgewaschenem Gold an und bin schon gespannt wie die Resonanz sein wird, da sich der umweltverträgliche Goldabbau natürlich deutlich im Preis niederschlägt.
Danke für das weiterbildende Interview.
Karl
Nils E. meint
Vielen Dank für diesen Beitrag über nachhaltige Eheringe. Interessant, dass man zum Beispiel auf recyceltes Altgold zurückgreifen kann, wenn die Eheringe nachhaltig sein sollen. Wir heiraten bald und sehen uns gerade nach passenden Eheringen um, daher war dieser Blogpost hier sehr spannend.